Seit 2005 widmet sich die Eckernförder Literaturveranstaltung alljährlich dem Werk Wilhelm Lehmanns und der Bedeutung des Dichters für die Gegenwart. Die Vorträge und Diskussionen, die Lesungen und Gespräche der jüngeren Zeit können als Videos und Podcasts an dieser Stelle nachverfolgt werden (2017-2022).
Besonders hervorzuheben ist die alle zwei Jahre stattfindende Vergabe des Wilhelm-Lehmann-Preises, mit dem herausragende zeitgenössische Autorinnen und Autoren für ihr lyrisches, erzählerisches oder essayistisches Werk gewürdigt werden.

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V-1
WL-Tage 2022 in Eckernförde, Thema: „Der grüne Gott“

Orpheus, Athene, Parzival, Prospero, Ophelia, Faust, Rumpelstilzchen, Merlin – all diese mythischen und literarischen Figuren bevölkern Wilhelm Lehmanns Texte, die zur naturmagischen Schule gerechnet werden. Ist sein Werk, ist die quasi-religiöse Andacht angesichts der zaubernden und verzaubernden Natur ein Vorläufer des derzeit Furore machenden Nature Writing?
Die von Beate Kennedy moderierten 2022-er Lehmann-Tage starten mit einer musikalischen Lesung (Rachel Behringer und Trio Nidaš) aus Lehmanns zweitem Gedichtband „Der grüne Gott“. In der Zentralfigur des Merlin, „in dessen Namen sich die Lehmannsche Präzision im Ornithologischen aufs Glücklichste bewährt“ (Jan Wagner), verbinden sich beide Sphären, die für Lehmanns Werk charakteristisch sind: Natur (der Raubvogel) und Mythos (der Druide aus der Artus-Sage). Der Literaturwissenschaftler Wolfgang Menzel widmet sich der Spannung zwischen dem „Mann der Provinz“, der Lehmann gewesen ist, und seinem Dichterfreund und Lektor, dem „urbanen Geist“ Oskar Loerke. Sein Vortrag wird begleitet von Lesungen aus Loerkes Werk. Der Lyriker Carsten Kluth spricht über das aktuelle Nature Writing, in dem Natur über das pure Lebendigsein hinaus gedacht und beschrieben wird: als eine um ihrer selbst willen schützenswerte Welt, in der alles zusammenhängt.

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V-2
Veranstaltung „Was bleibet aber – Literatur im Land“

Das filmische Potpourri zeigt Aspekte einer literarischen Wanderausstellung, die auch in Eckernförde Station machte: Doris Runge rezitiert, Carsten Kluth liest, Katja Kanowski musiziert, Daniela Herzfeld steuert aus, Beate Kennedy steht Rede und Antwort, Schülerinnen und Schüler tragen Gedichte vor von „äh, wie hieß der noch? Wilhelm Lehmann!“

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V-3
Veranstaltung „Was bleibet aber – Literatur im Land

Im Frühjahr 2022 präsentierte die WLG die Wanderausstellung „Was bleibet aber – Literatur im Land“. Einer besonderen Veranstaltungsform wird hier Raum gegeben: Das Video zeigt den Nature Writer Carsten Kluth, einen Schüler-Workshop mit Audio-Praxisbezug von Daniela Herzberg und eine Lesung der Lyrikerin Doris Runge.
Ein verendetes Reh, die „Erledigung des Körpers durch Bakterien“ – Natur diesmal nicht als blütenreiche Wunderwelt, sondern als rauhe Wirklichkeit: Carsten Kluth beschreibt den Umgang des Menschen mit der Natur als Material, den Menschen als Agenten, der „auf die Chance zum Zuschlagen“ wartet. Daher ist für Kluth die Katastrophe „denknotwendig“. Für deren Darstellung mahnt er eine umfassendere Form der Narration an als die klassische westliche. Praktische Tipps und Fehlervermeidungsstrategien („Eine gute Tontechnikerin lässt es immer laufen“) bei der Aufnahme eines Podcasts gibt die Radiojournalistin Daniela Herzberg der Klasse 9b der Jungmannschule mit auf den Weg. Doris Runge bezeichnet in ihrer Lesung die eigene Lebensform auf dem Land, „jenseits der Literaturszene“ und mit dem weiten Himmel Schleswig-Holsteins, als Freiheit. Doch in ihren Gedichten – „etwas zum Wiederlesen“ – kommt auch die widrige Seite der Natur zu Wort: „Zwischenreich. Gieriges Gewächs/Feiert unsere Abwesenheit/Das Rankende treibt Dornen/Und falsche Triebe verschließen Türen und Fenster/Als wären wir nie gewesen/Mit Heckenschere und ordnender Hand“.

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V-4
WL-Tage 2021 in Eckernförde, Thema: „Irisches und Mythisches“

„Die Kunst ist der Weg, der Schreckensherrschaft des Ideellen zu entgehen“ (Wilhelm Lehmann). Was hat Irland, die grüne Insel, mit diesem Statement zu tun? Dieser Frage nach der Beziehung Lehmanns zu den keltischen Mythen und zur irischen Poesie gehen der Theologe Dirk Schmid, der Lyriker Norbert Hummelt und der Literaturwissenschaftler Wolfgang Menzel nach.
Die 2021-er Lehmann-Tage befassen sich mit der Kraft der Poesie in Zeiten des Krieges und der Konstellation Lehmann-Yeats. Die mythisierende Dichtung Lehmanns, von Heinrich Detering schon einmal als „klappernde Mythenmechanik“ ironisiert, sieht Schmid als konkrete „Einheit von Anschauung und Denken“, die über die Poesie zu einem subjektiven Naturerlebnis führe. Hummelt steigt kritisch in die Auseinandersetzung mit dem Gedicht „Signale“ (1942) ein. Gegen den Vorwurf des Eskapismus setzt er „die Kraft der Poesie, den Einzelnen noch in der größten Not zu schützen, indem sie die sinnliche Anschauung der Welt gegen ihre totale Politisierung verteidigt“. Anders als Lehmann habe sich W. B. Yeats eingemischt: Er kämpfte mit seiner Dichtung um die Selbstbestimmung Irlands. Abschließend wird die Aktualität von Lehmanns Roman Die Schmetterlingspuppe (1918) diskutiert: Wie gelingt ein angemessenes Verhältnis zur Natur, zum Leben und zum Tod?

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V-5
WL-Tage 2020 in Eckernförde, Thema: „welthaft“

Was hat der vor mehr als einem halben Jahrhundert verstorbene Schriftsteller Wilhelm Lehmann der Gegenwart zu sagen? Welches sind die Anknüpfungspunkte, die Formulierungen und Gedanken, die auch heute noch interessieren und uns, über den Abstand der Jahre hinweg, in überraschend aktueller Weise ansprechen und anregen?
Genau diese Verbindung zwischen Damals und Heute stellt das Motto der von Beate Kennedy moderierten 2020-er Lehmann-Tage her: „Welthaft“, erläutert der Literaturwissenschaftler Wolfgang Menzel, ist eine Literatur, die Natur und Gesellschaft als Zusammenhang begreift und erschließt. Am 3. Oktober 2020 geht der Wilhelm-Lehmann-Preis an Nora Bossong. Die Autorin liest aus Schutzzone und Kreuzzug mit Hund und provoziert mit ihrer entschieden politischen Haltung eine lebhafte Diskussion. Die Laudatio hält der Literaturkritiker Carsten Otte. Bossongs Preisrede, der Höhepunkt der Veranstaltung, erinnert, ausgehend von Lehmanns Weltkriegsroman Der Überläufer, an die weltweiten, oft kaum beachteten Kriege der heutigen Zeit. Welches ist die Aufgabe der Literatur und was kann sie leisten? Kann sie sich im politischen und zeitgeschichtlichen Diskurs Gehör verschaffen? Wo sind ihre Grenzen?

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